Aline (15) erklärt: Bedingungslose Freude

Aline beobachtet einen Grossvater, der in die Welt seines Enkels eintaucht, und kommt zu der Erkenntnis: Man darf sein inneres Kind nie verstummen lassen.

«Opa, das isch jetzt de beschti Döner vo de ganze Stadt.» Diesen Satz hörte ich, als ich an einer Dönerbude vorbeikam. Ich drehte mich um, um den Sprecher zu sehen. Beim Anblick, der sich mir bot, musste ich schmunzeln: Ein älterer Herr mit Gehstock in der einen und einem tropfenden Döner in der anderen Hand, daneben ein etwa zehnjähriger Junge, ebenfalls mit einer tropfenden Angelegenheit in den Händen. Aber dann musste ich mich abwenden. Nicht etwa, weil mich der Anblick des Döners gestört hätte, im Gegenteil: Ich liebe Döner! Aber mein «gwundriges» Starren wäre wohl sehr bald aufgefallen. Das Bild ging mir lange nicht mehr aus dem Kopf. Es ist ein schönes Beispiel dafür, dass es gelingen kann, sich mithilfe kleinster Sachen in eine andere Welt entführen zu lassen. Der Junge zeigte seinem Grossvater ein Stück aus seiner Welt. So lernen wir nie aus.
Was können Grosseltern noch von den Enkelkindern lernen oder vielmehr wieder lernen? Bedingungslose Freude ist meine Antwort. Ich glaube, dass diese im Laufe des Lebens irgendwie, nun ja, abstumpft. Weil man die grausamen und unschönen Seiten des Lebens kennengelernt hat und diese dann nur schwer wieder ausblenden kann. So werden glückliche Momente oft getrübt und im Hinterkopf driften die Gedanken zu Unerledigtem ab, zu Problemen und zu allem, was sonst noch falsch läuft auf der Welt. Dabei verpasst man dann das Wichtigste, was man hat, nämlich das Hier und Jetzt. Im Moment glücklich sein zu können, ohne an den Papierstapel im Büro zu denken, ist doch ein schönes Gefühl. Was muss es für eine Freude sein, für ein kleines Kind ein Schneckenhäuschen zu finden. Ich würde gern diese grenzenlose Euphorie ab und an wieder mal spüren dürfen. Man müsste sich einfach wieder das Kind vor Augen führen, das für die kleinen Sachen lebt. Man darf sein inneres Kind nicht verstummen lassen. Es wäre viel zu schade, denn die Welt ist schon genug ernst. Und wir brauchen mehr Erwachsene, die sich nach schönen Schneckenhäusern am Boden bücken. •