Aline (16) erzählt vom Erwachsenwerden

Ich schreibe in dieser Kolumne über eine der schwierigsten Aufgaben des Lebens: das Erwachsenwerden.

Der Schritt vom Kind zum Erwachsenen ist schwierig und anstrengend. Mir scheint, dass es junge Männer oft schwieriger haben, sich einen Platz in der Gesellschaft zu schaffen, als weibliche Gleichaltrige. Junge Frauen suchen sich (meiner Erfahrungen nach) schneller einen Platz und somit auch ein bestimmtes Umfeld aus. Dieses ist dann quasi ihr sicherer Hafen, wo viel Platz für ihre Gedanken, Meinungen und Emotionen ist. Das ist wichtig, weil es in den Köpfen der Jugendlichen keinen Platz für noch mehr Gedanken hat.
Junge Männer haben es heute schwerer. Früher war es klarer, was von jungen Männern erwartet wurde. Sie wussten, was sie als Mann zu tun hatten und welche Rolle sie in der Gesellschaft besetzen sollten. Ich glaube, daran konnten sich viele Männer orientieren, sie konnten sich daran festhalten. Diese Vorgabe war sozusagen ihr sicherer Hafen. Heute können wir Jungen komplett neue Wege gehen, auch solche, die zuvor noch niemand gegangen ist, die also nicht vorgespurt sind! Meine Generation kann, dank einer wachsenden gesellschaftlichen Akzeptanz, jede Rolle ein+nehmen.
Meine Oma würde jetzt vermutlich sagen: «Nicht alles ist Gold, was glänzt» – und recht hat sie. Denn bei zu viel Auswahl und grosser Freiheit kann man sich auch schnell mal verirren, besonders in den Lebensabschnitten, in denen man sich eh schon komplett verliert und neu zusammenflicken muss. Ich bin sehr dankbar für die heutigen Möglichkeiten. Denn ich habe das Glück, in einem Umfeld aufzuwachsen, das mir erlaubt, mich auch mal zu verirren. Und ich kann immer darauf vertrauen, dass mir jemand die Hand reichen würde und mich aus dem Chrüsimüsi rauszieht. •