Meine Eltern stammen aus zwei benachbarten Dörfern und haben sich nach der Heirat im Dorf meiner Mutter niedergelassen. Die beiden Grosselternpaare lebten also stets in der Nähe und ich habe sie entsprechend viel gesehen. Nonna Rina wohnt heute im selben Dorf wie ich und meine Familie und sie sieht meine Zwillinge, ihre ersten
Urgrosskinder, häufig. Letztes Jahr wurde sie 90 und sie ist topfit. Jeden Morgen liest sie die Zeitungen auf dem iPad, und als mein Mann und ich mit ihr kürzlich ein paar Tage in Grindelwald verbrachten, bestand sie darauf, zu Fuss von der Kleinen Scheid-egg ins Tal zurückzuwandern. Leider leben die beiden Grossväter mittlerweile nicht mehr, aber früher nahmen sie meinen Bruder und mich häufig mit in den Wald zum Pilzesuchen. Grossvater Ido hat uns Lieder vorgesungen und uns gezeigt, wie man mit dem Sackmesser Holzfiguren schnitzt. Samstags war jeweils Markttag und die Frauen gingen gemeinsam einkaufen in Bellinzona: Nonna Rina, Mama, meine Tante und ich. Beide Grosselternpaare haben uns viel gehütet, als wir noch klein waren, und uns jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Das tun die beiden Grossmütter heute noch! Immer backen und kochen sie für jemanden in der Familie. Ja, die beiden Grossmütter entsprechen dem Klischee der warmherzigen, aber resoluten Tessiner Nonna. Gerne erinnere ich mich an die Sommerferien meiner Kindheit: Zuerst fuhren mein Bruder und ich eine Woche mit den Eltern ans Meer. Als wir die hinter uns gebracht hatten, ging der Spass erst richtig los: Drei Wochen verbrachten wir Geschwister dann nämlich zusammen mit meiner Cousine und meinem Cousin auf der Alphütte meines Grossvaters oberhalb Monte Corasso. Herrliche Tage, die wir Jahr für Jahr mehrheitlich draussen in der Natur verbrachten. Die erste Woche schauten die Grosseltern jeweils zu uns, in der zweiten Woche kamen meine Eltern auf den Berg und in der dritten Woche meine Tante und mein Onkel. Wir vier Kinder waren quasi die Stammbesetzung, die Betreuungscrew wechselte sich ab. •
Von Karin Dehmer (Aufzeichnung)
Dieser Artikel stammt aus dem Grosseltern-Magazin 02/2019