Ferien mit allen

Es ist einer der Ferientrends 2025: Dreigenerationenreisen. Ein Tourismusexperte ordnet das ein. Und eine Grossmutter erzählt von ihren Erfahrungen. Sie verbringt jährlich mit 21 Personen eine Woche in einem Haus.

Geraldine Capaul (Text), Irene Meier (Illustration)

„Wenn das Gefüge stimmt, kann ich Dreigenerationenferien nur empfehlen! Mein Mann (71) und ich (66) verbringen einmal im Jahr eine Woche mit der ganzen Familie. Mittlerweile sind wir 21 Personen. Unsere vier Kinder, ihre Partner:innen, die elf Enkelkinder und wir beide.
Angefangen hat dieses Ritual vor über 20 Jahren. Damals sind meine Tochter und ich für ein paar Tage in die Skiferien gefahren. Mit der Zeit kamen immer mehr dazu. Anfangs konnten wir noch eine normale Ferienwohnung mieten, die wurde einfach immer grösser. Heute verbringen wir die Skiferienwoche in einem ehemaligen Gasthaus. Da hats Platz für alle: 22 Betten, genügend Duschen und WCs, einen Aufenthaltsraum und Küche. Es ist wichtig, dass man einen Rückzugsort hat. Und es ist auch wichtig, dass alle auf ihren Kosten kommen. Das bedeutet, dass zum Beispiel wir als Grosseltern zwar gerne einen Tag die Enkelkinder übernehmen, aber dass wir nicht ständig als Betreuungspersonen zur Verfügung stehen. Alle haben Ferien! Aber bei so vielen Leuten geht das sowieso immer gut auf. Mal geht der Götti mit einigen Kindern auf die Skipiste, die Tante mit den anderen zum Schlitteln und wieder andere bleiben mit dem 2 ½-Jährigen ums Haus.
Die Hausmiete übernehmen mein Mann und ich, das ist unser Weihnachtsgeschenk. Und dann zahlt jede und jeder einen Beitrag in die Lagerkasse. Vor den Ferien erstellen wir zusammen einen Menüplan für die ganze Woche. Die eine Tochter ist Hauswirtschaftslehrerin, sie sagt, was wir fürs erste Wochenende mitbringen sollen. Den Rest kaufen wir da ein. Wir sind alle sehr unkompliziert.
Wir wechseln uns ab beim Kochen und beim Abräumen. Jeweils zwei Erwachsene und zwei Kinder fürs Kochen und nochmals zwei und zwei fürs Abräumen und Aufräumen. Frühstück und Abendessen. Wer das übernimmt, wird mittels dem Krokodilspiel ausgelost. Vielleicht ist es dann in einer Woche nicht ganz ausgeglichen verteilt, aber über die 20 Jahre hinweg geht’s auf. Als ehemalige Textillehrerin nehme ich immer etwas zum Basteln mit. Manchmal brauchts ein solches Angebot, manchmal nicht. Die Kinder sind zwischen 2 ½ und 15 Jahre alt, vier Buben und sieben Mädchen. Sie haben es sehr gut untereinander. Fix auf dem Wochenplan stehen eine Pyjama-Party und ein Spiele-Abend. Letztes Jahr ist noch ein Girls-Abend dazu gekommen. Unser Familienleben ist sehr verbunden und wir stehen auch ausserhalb dieser Woche in engem Kontakt. In dieser Ferienwoche aber haben wir besonders viel Zeit füreinander und zelebrieren die Freiheit, diese so zu gestalten, wie wir wollen. Bis jetzt ist diese Woche allen wichtig. Ich würde spüren, wenn jemand nicht gern mitkommt.
Was es braucht, damit ein solches Unterfangen gelingt? Das Bewusstsein, dass es jede Generation wieder anders macht. Flexibel sein und tolerant. Nicht auf Kleinigkeiten rumreiten. Und vor allem: einfach geniessen.“

Nachgefragt

Herr Lymann, Dreigenerationen­ferien sind angeblich der grosse Ferientrend 2025. Ist das eine Marketing­strategie der Reise­anbieter:innen oder steckt da mehr dahinter?
Roland Lymann: Trends werden erkannt, wenn eine Nachfrage entsteht. Die Reiseanbieter forschen, was auf dem Markt passiert und merken dabei, dass ein bestimmtes Bedürfnis in der Gesellschaft da ist, wie in diesem Fall der Wunsch, mit den Gross­eltern zu verreisen. Aufgrund dieser Erkenntnisse werden entsprechende Angebote auf den Markt gebracht.

Aber Dreigenerationenferien gibt es nicht erst seit Kurzem.
Nein, neu ist das natürlich nicht. In den 2000er-Jahren arbeitete ich bei der Schweizer Reisekasse Reka und schon damals gab es eine entsprechende Nachfrage. Aber die Gross­eltern wollten zum grossen Teil nicht, wie gedacht, in einem eigenen Studio untergebracht werden, sondern sie bevorzugten, im selben Appartement wie der Rest der Familie zu wohnen. Also reagierten wir auf dieses Bedürfnis und schufen grosse Wohnungen, in denen alle zusammen Platz hatten. Und die wurden gebucht.

Wie sieht der Markt heute konkret aus?
Wir haben nachgeforscht. Es ist immer noch so, dass der Grossteil Zweigenerationenferien macht, also Eltern mit ihren Kindern. Aber das andere Modell ist wachsend. Es werden deutlich mehr Vier- und Fünfzimmer-Ferienwohnungen angeboten und Jugendherbergen und Hotels bieten Familienzimmer oder Zimmer mit Durchgangstüre an.

Woran liegt das wachsende Bedürfnis?
Der Alltag einer jungen Familie ist voll und durchgetaktet, oftmals wohnen die Grosseltern auch nicht gleich nebenan. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen will man Zeit zusammen verbringen. Covid hat uns allen gezeigt, wie wertvoll Familienmomente sind. So geht man eben zusammen in die Ferien. Kommt dazu, dass die heutigen Grosseltern oftmals länger fit sind. Mein Gefühl ist zudem, dass sich die Generationen heutzutage näher stehen, auch noch im Erwachsenenalter.

Wie gelingen die Ferien mit drei Generationen?
Wichtig ist, dass man vorher miteinander bespricht, was wer wie will. Wollen die Grosseltern einmal etwas mit den Enkelkindern unternehmen, sodass die Eltern Zeit zu zweit haben? Aber die Eltern sollten auf keinen Fall erwarten, dass Grosseltern nur zur Enkelbetreuung mitkommen. Es soll für alle stimmen, jede und jeder soll und darf auf seine Kosten kommen. Zum Beispiel lohnt es sich, eine genügend grosse Wohnung zu buchen. Niemand sollte im Wohnzimmer schlafen müssen, denn alle brauchen eine Rückzugsmöglichkeit. Und ein Reminder: Machen Sie keine fixen Pläne, lassen Sie sich treiben, seien Sie flexibel.

Einzelne Feriendestinationen werben explizit für drei Generationen. Was sollten die im Angebot haben?
Das Wichtigste: Möglichkeiten für gemeinsame Erlebnisse als ganze Familie. Aber es braucht eben auch einige Angebote für jedes Alter, für die Grosseltern, für Eltern und auch etwas , das Kinder nur für sich machen können.

Und wie ist das in Ihrer Familie? Wie machen Sie als Experte Ferien?
Meine Eltern begleiteten uns auch in die Skiferien, damit meine Frau und ich mal zusammen auf die Piste konnten. Dieses Jahr planen wir nun zum ersten Mal Dreigenerationenferien mit unseren beiden kleinen Enkelkindern, die im letzten Herbst zur Welt gekommen sind. Wir bleiben in der Schweiz und wir werden garantiert auch mal auf die Kinder schauen, damit die Eltern etwas zu zweit machen können.

Roland Lymann arbeitete als Tourismusdirektor in Wildhaus und Adelboden. Im Anschluss daran wechselte er zur Schweizer Reisekasse, wo er zehn Jahre als Vizedirektor und Mitglied der Geschäftsleitung für die Ferienangebote und eigene Anlagen wie Reka-Feriendörfer verantwortlich war. Seit 2008 ist er als Dozent
und Projektleiter im Bereich Destinationsmanagement und Gesundheitstourismus am Institut für Tourismus und Mobilität (ITM) in Luzern tätig. Er lehrt auch regelmässig an verschiedenen Hochschulen und Universitäten im Ausland. Roland Lymann ist verheiratet, Vater von zwei Töchtern und Grossvater von zwei Enkelkindern.
hslu.ch/itm