„Adieu-Sagen sind Übergangsmomente, die zum Leben gehören“

Nachgefragt bei der Grosselternberaterin Beatrice Beutler von die Mütter- und Väterberatung Kanton Bern.


Wie schafft man eine nahe Beziehung zu Enkel, die im Ausland leben?
Bei der Gestaltung von Beziehungen gibt es kein allgemein gültiges Rezept. Im Babyalter wird der Kontakt zur Umwelt sowieso durch die Eltern bestimmt und organisiert. Grosseltern und Baby sind also abhängig von deren Bereitschaft. Erst wenn die Kinder eine gewisse sprachliche Kompetenz entwickelt haben, können sie ihre Beziehung zu Oma und Opa selber gestalten. Das alles hat aber wenig mit der Distanz zu tun. Das gilt auch, wenn die Grosseltern nur ein Haus weiter weg leben. Ich erlebe im Beratungsalltag nicht selten, dass mir die Grosseltern sagen, sie haben auf Distanz mehr Kontakt zu ihren Kindern resp. zu den Enkeln als vorher. Es liegt vielleicht auch daran, dass es den Eltern im Ausland wichtig ist, die Grosseltern bestmöglich einzubeziehen.

Also wie oft sollte man telefonieren, Briefe schreiben?
Das Bedürfnis nach Kontakt und Häufigkeit ist sehr individuell. Heute bieten sich verschiedene Möglichkeiten an, um in Kontakt zu bleiben. Natürlich ist der persönliche Kontakt der beste. Moderne Technik macht es möglich, dass man via Telefon, über Online-Medien wie Zoom und Co. den Kontakt aufrechterhalten kann. Doch auch hier ist ein altersgerechter Umgang mit den Medien ratsam. Oma und Opa in diesem Kasten können Kleinkinder mit ihrer Realität und Wahrnehmungsgabe oft nicht in Einklang bringen. Als Kleinkind lernen und «be-Greifen» sie ihr Umfeld vor allem über ihren Körper. Sie sind darum vielleicht verwirrt, weil sie Oma nicht küssen, Opa nicht umarmen können. Solche Medien werden für Kinder ab 5 bis 6 Jahren fassbarer. Grosseltern sollten zudem nicht allzu grosse Erwartungen haben: Die Aufmerksamkeitsspanne der Kleinen im Zusammenhang mit Online-Medien ist in der Regel begrenzt. Sie sagen vielleicht kurz «Hallo» und spielen dann im Hintergrund weiter. Aber auch so eine kurze Sequenz kann wichtig für die Beziehung sein. Bei Hausbesuchen erlebe ich, dass die Grosseltern im Heimatland, durch ihre Präsenz am Bildschirm, dennoch auch ein wichtiger Teil des Familienlebens hier in der Schweiz darstellen können.

Wie geht man mit dem ständigen Abschiednehmen um?
Abschiednehmen hat nichts mit der Distanz per se zu tun, sondern erlebt ein Kind immer wieder, auch zu Haus in seinem unmittelbaren Umfeld. Natürlich kann ein Abschied bei einer Fernbeziehung schwieriger sein, weil man nicht weiss, wann, respektive weil es lange dauert, bis man sich wiedersieht.

Und wie thematisiert man das mit den Enkeln?
Adieu-Sagen sind sogenannte Übergangsmomente, die zum Leben gehören. Wenn Eltern und Grosseltern diese gut begleiten oder sogar ein Ritual dafür finden, hilft das dem Kind. Verabschieden Sie sich persönlich oder online immer gleich und/oder Sie versichern dem Kind, dass Sie sich in beispielsweise 2 Tagen wieder bei ihm melden, gibt das dem Kind Sicherheit. Es kann aufgrund seiner Erfahrungen darauf vertrauen, dass es Sie bald wiedersehen oder hören kann.

Bietet eine Fernbeziehung auch Vorteile?
Grundsätzlich muss eine Fernbeziehung zum Enkelkind kein Nachteil sein. Wenn man sie bedürfnis- und altersgerecht für alle Beteiligten gestaltet, kann sie ebenso bereichernd sein. Distanz kann zudem helfen, das Beziehungsdreieck zwischen Eltern-Kind-Grosseltern klarer zu definieren. Dank der Distanz treten evtl. Nähe-Distanz-Themen (Abgrenzung, Einbezug der Grosseltern etc.) weniger auf oder es gibt vielleicht weniger Reibereien beispielsweise bei der Gestaltung des Austausches oder bei Erziehungsfragen. Es ist aus nicht selten, dass durch die Distanz, die Präsenz der Grosseltern etwas Spezielles für das Kind ist. Der Austausch kann durchaus alltäglich sein, aber ein persönliches Treffen oder die Beziehung hat dadurch einen anderen Stellenwert als wenn man sich regelmässig oder gar täglich sehen kann.

Über die Mütter- und Väterberatung Kanton Bern
Beatrice Beutler ist Beraterin Frühe Kindheit und Grosselternberaterin. Die Mütter- und Väterberatung Kanton Bern unterstützt Eltern und Bezugspersonen von Kindern bis 5-jährig bei Fragen zur Entwicklung und Erziehung. Ihnen stehen professionelle, einfach zugängliche und kostenlosen Beratungsangebote zur Verfügung. Im Zentrum steht dabei das Wohl des Kindes und der Familie. 150 Fachpersonen im Bereich der Frühen Kindheit stellen die Dienstleistungen im Kanton sicher: mit 265 Beratungsstandorten, Online-, Telefon- und Gruppenberatungen, Hausbesuchen sowie Treffpunkten. Die Mütter- und Väterberatung Kanton Bern ist ein Verein und handelt im Auftrag der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion des Kantons Bern (GSI).