Géraldine Knie denkt jeden Tag an ihren Grossvater Fredy Knie sen. Er war ihr Trainer, Mentor und Ratgeber. Heute beobachtet sie, wie ihr Vater, Fredy Knie jun., dieselbe liebevolle, grossväterliche Präsenz bei ihren Kindern erfüllt.
Von Karin Dehmer (Aufzeichnung)
Meine Grosseltern mütterlicherseits waren Privatleute, so nennen wir beim Zirkus Nichtzirkusmenschen. Ich war neun oder zehn Jahre alt, als sie gestorben sind. Viel Zeit habe ich nicht mit ihnen verbracht, weil man mich nicht vom Zirkus wegbrachte. Ich wollte immer beim Zirkus sein. Ich erinnere mich aber, dass sie stolz darauf gewesen sind, dass ihre Tochter meinen Vater geheiratet hat. Mein Grossvater Fredy Knie sen. war mein Idol. Natürlich verband uns die Liebe zu den Pferden – er und mein Vater haben mich ja gemeinsam trainiert –, aber auch neben dem Zirkus und abgesehen von den Pferden, war er eine wichtige Person für mich. Ich habe für alles Rat bei ihm geholt. Auch wenn ich als Teenager unglücklich verliebt war, trug ich das zu Grossvater. Zu meinen Lieblingserinnerungen gehören unsere gemeinsamen Reisen ans Zirkusfestival in Monte Carlo. Ich und Grossvater blieben immer noch ein paar Tage länger als der Rest der Familie. Man traf sich mit anderen Show-Menschen und mit Zirkusunternehmern. Nein, ich fand das nie langweilig unter all den Erwachsenen, sondern nur spannend. Gleichaltrige wollten in die Disco oder in den Ausgang, aber ich war happy, bei Grossvater zu sein. Im Winterquartier lebten wir nicht zusammen, aber wegen des Trainings sahen wir uns auch da täglich. Dann machten wir auch mal ganz normale Dinge zusammen wie ins Kino gehen oder ins Schwimmbad. Mein Vater und er waren gleichermassen geduldig mit mir, ich war auch immer brav und habe gemacht, was sie gesagt haben. Grossvater war vielleicht etwas weniger konsequent, aber das ist ja die Rolle der Grosseltern. Die Leute sagten immer, er sei ein anderer Mensch gewesen, wenn er mit mir zusammen war. Als er 2003 starb, brach eine Welt für mich zusammen.
Seine erste Frau, meine Grossmutter, war Sportlerin, Eiskunstläuferin. Nach der Scheidung ging sie zurück nach Bern, führte dort einen Tennisclub und zog später mit ihrem zweiten Ehemann nach Mallorca. Ich habe Meme, wie ich sie nannte, jedes Jahr auf Mallorca besucht. Sie ist 2013 gestorben.
Ein Leben wie im Ferienlager
Natürlich lebt man beim Zirkus sehr nahe aufeinander. Beruf und persönliche Leidenschaft verschmelzen, Arbeit und Freizeit auch. Meine Kinder sind genauso involviert in den Zirkusalltag, wie ich früher. Gerade gestern beim Aufbau in Bern durfte mein Kleiner mit seinem Grossvater Traktor fahren. Solche Dinge haben immer Platz. Unser Leben ist wie ein grosses Ferienlager. Und die Geschichte wiederholt sich: Mein Vater ist genauso geduldig mit seinen Enkelkindern, wie mein Grossvater es mit uns Kindern damals gewesen ist. Er lässt ihnen Freiraum. An Grossvater denke ich jeden Tag. In diesem Jahr, unserem 100-Jahre-Jubiläum, sowieso. Während der Vorstellung erscheint sein Bild auf einer Leinwand. Die Weitergabe von Verantwortung und Zirkusleidenschaft an die nächste Generation ist Teil unserer Jubiläumsshow.•