Heimweh ade! Für jedes Alter gibt es geeignete Strategien und Tricks.

Heimweh befällt nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene. Während die Grossen gegen das unange­nehme Gefühl Strategien entwickeln, brauchen die Jüngeren aktive Unterstützung bei der Bewältigung ihres Trennungsschmerzes.

Tipps bei Heimweh und Trennungsschmerz

  • Das Kuscheltier muss mit. Oder ein Kissen oder ein T-Shirt von Mama oder Papa, das nach ihnen riecht.
  • Gewohnte Rituale, gerade beim Essen oder beim Einschlafen, möglichst beibehalten.
  • Das Kind zum vereinbarten Zeitpunkt abholen. Also wenn man gesagt hat nach dem dritten Frühstück oder nach dem Mittagessen, dann sollte es auch so eingehalten werden.
  • Nicht nur bei der Verabschiedung, sondern auch beim Wiedersehen nicht zu grosses Aufsehen erregen. Dem Kind signalisieren, dass es ganz normal ist, dass Mama zur ausgemachten Zeit wieder zurückkommt.
  • Das Kind in ausgeschlafenem Zustand übernehmen. Nicht wenn es weinerlich, hungrig oder kränklich ist.
  • Beim Abschied auf Sätze wie «Wir werden dich schrecklich vermissen» verzichten. Das Kind stattdessen positiv motivieren und ihm viel Spass wünschen.
  • Nicht täglich telefonieren, sondern fixe Termine ausmachen, an denen sie miteinander reden wollen. So ist das Kind motiviert, von Anruf zu Anruf durchzuhalten, und kann sich die Zeit dazwischen auf die Umgebung einlassen.
  • Kinder lassen sich gern von anderen Kindern ablenken, am besten auf einem grossen Spielplatz.

Im 17. Jahrhundert umschrieb der Elsässer Arzt Johannes Hofer die sogenannte «Schweizerkrankheit» mit Melancholie, Schwermut und Trauer, verursacht durch die unbefriedigende Sehnsucht nach der Heimat. Er benannte die Krankheit nach der Legende von Schweizer Söldnern, die im Ausland Dienst taten und deutlich gehäufter die beschriebenen Symptome aufwiesen als Söldner aus anderen Ländern. Den Schweizern soll in Frankreich sogar unter Strafandrohung verboten worden sein, bestimmte Lieder anzustimmen – etwa das Guggisberglied, das sie zur Fahnenflucht verleiten würde.
Gut möglich, dass diese Sanktion die Sehnsucht der Söldner nur noch grösser werden liess. Denn heute weiss man, dass Menschen, die unter Heimweh oder Trennungsschmerz leiden, gut daran tun, ihnen bekannte Rituale aufrechtzuerhalten, Alltagsgewohnheiten auch am fremden Ort so gut es geht nachzugehen.

Den Unterschied macht das Alter
Bei jüngeren Kindern spricht man in der Psychologie konsequent von Trennungsschmerz und nicht von Heimweh, das in der Regel erst ab dem Vorschulalter eintrifft. «Der Trennungsschmerz oder die Trennungsangst und das Fremdeln sind bei Zwei- bis Dreijährigen am stärksten ausgeprägt», schreibt Kinderarzt Remo Largo in seinem Standardwerk «Babyjahre». «Nach dem dritten Lebensjahr nehmen das Fremdeln und die Trennungsangst immer mehr ab. Den Kindern fällt es leichter, Beziehungen zu unvertrauten Personen einzugehen.»
Beim Eingewöhnen in der Kita wird die Zeit, in der das Kind in die fremde Obhut gegeben wird, über eine Dauer von zwei bis drei Wochen konstant gesteigert. Selbstverständlich also, dass es auch für Hüteeinsätze der Grosseltern eine Ein- und Angewöhnungszeit braucht. Wenn der Trennungsschmerz des Kindes besonders gross ist, eignet sich dafür bei den ersten Malen ein Spaziergang oder ein Aufenthalt ausserhalb der Wohnung, beispielsweise auf einem Spielplatz, der dem Kind bekannt ist. Vielleicht übernachten die Eltern oder ein Elternteil auch das erste Mal gemeinsam mit dem Kind bei den Grosseltern, bevor es allein dort schlafen muss.

Vor der Trennung zu beachten
Neben einer angemessenen Ein- und Angewöhnungszeit ist es ratsam, sofern das Kind dafür alt genug ist, es beim Kleiderpacken mithelfen zu lassen. Während gemeinsam Unterwäsche und Socken in den Koffer gelegt oder Spielsachen eingepackt werden, kann mit dem Kind darüber gesprochen werden, was es mit den Grosseltern alles erleben wird, was Oma oder Opa vielleicht kochen werden, in welchem Zimmer es schlafen wird. Kinder haben noch kein ausgeprägtes Zeitgefühl, dennoch sollte man ihnen möglichst klare Zeitangaben machen, wann es wieder abgeholt wird. Also: «Nach zweimal schlafen» oder «bis nach dem Abendessen.» Es gibt unzählige Bilderbücher zum Thema. «Schau, bald schläfst du bei Oma und Opa wie der kleine Bär hier im Buch.»
Wichtig sind die sogenannten Übergangsobjekte, geliebte Gegenstände wie Plüschtiere oder Nuscheli, ohne die Kinder nirgendwo hingehen und die sie meist auch ins Bett nehmen. Remo Largo in «Babyjahre»: «Übergangsobjekte dienen den Kindern als Mutter- oder Vaterersatz auf Zeit. Sie helfen Zeiten zu überbrücken, die mit dem Gefühl von Alleinsein und Verlassensein verbunden sind. Somit sind Übergangsobjekte auch Hilfsmittel auf dem Weg zur eigenen Selbständigkeit.» Bei grösseren Kindern hilft neben dem Lieblingsplüschtier auch ein vertrautes Hörspiel, ein Buch oder ein Foto der Familie gegen Heimweh.

Beschäftigung hilft
Nicht gerade abbrechen, wenn das Kind bei der Übergabe losweint: Die Grosseltern können versuchen, es abzulenken und zu trösten. Überhaupt ist es gut, mit einem verunsicherten Kind viel zu sprechen. Die Eltern sollten sich nie einfach wegschleichen. Das verunsichert das Kind unnötig. Nach einer herzlichen, aber kurzen Verabschiedung ohne Zögern zu gehen, ist empfehlenswert. Fachpersonen raten, die Eltern erst um Hilfe zu bitten, wenn sich das Kind danach länger als 20 Minuten nicht beruhigen lässt. Gut also, wenn Eltern ihr Kind nicht dann zum ersten Mal den Grosseltern überlassen, wenn sie einen wichtigen Termin wahrnehmen müssen.
Während der ersten Male sollte das Kind im Fall, dass es sich nicht beruhigen lässt, schnell abgeholt werden. Später, wenn es schon mehrere Versuche hinter sich und somit eine gewisse Erinnerung daran hat, dass die Eltern es immer wieder abholen, kann man etwas abwarten. Es stärkt das Selbstbewusstsein der Kinder, wenn sie es schaffen, ihre Sehnsucht zu überwinden. In keinem Fall sollte man dem Kind Vorwürfe machen, sondern es im Gegenteil dafür loben, wenn es einen erneuten Versuch wagt.
Ein Kind, das Heimweh hat, zu trösten und abzulenken, ist anstrengend und zeitintensiv. Beschäftigung ist das beste Mittel gegen Heimweh und Trennungsschmerz und braucht Zeit. Grössere Kinder kann man dazu ermuntern, einen Brief nach Hause zu schreiben, in dem sie ihr Heimweh zum Ausdruck bringen und verarbeiten. Besser als tägliche Anrufe bei den Eltern sind ein oder zwei zum Voraus vereinbarte Termine. Wichtig ist, dass die Grosseltern das Heimweh und den Trennungsschmerz ihrer Enkelkinder nicht als Ablehnung verstehen. Meistens ist es nämlich so, dass die Kinder selber auch bei Oma und Opa bleiben wollen, es aber einfach noch nicht schaffen. In diesem Fall nicht verzagen, in ein paar Monaten kann es schon wieder ganz anders aussehen. •

Von Karin Dehmer (Text) und Irene Meier (Fotos)