Museumstest: Das Sensorium im Rüttihubelbad in Walkringen (BE).

Von Eli Wilhelm (Text) und Matthias Luggen (Fotos)

Wenn die Grossmutter Eli mit ihren Enkelinnen ein Museum besucht, landen sie meist mitten in einer Stadt. Diesmal aber fahren sie von Bern aus zur Endstation mit der S-Bahn und von dort mit dem Bus weiter, so richtig hinaus aufs Land, bis es nur noch vereinzelte Bauernhäuser gibt – typisch Emmental eben. Aber für die weitere Umgebung haben Lioba (8) und Felia (6) keine Augen. Sie stürzen sich vor dem Eingang des «Sensorium Rüttihubelbad» sofort auf die grosse Balancierscheibe und testen gemeinsam ihr Gleichgewicht und das Abstürzen auf eine Seite.

Bewegter Einstieg
Der erste Eindruck im Inneren erstaunt die Grossmutter. Sie hat sich im Internet ein wenig informiert über das Rüttihubelbad, wo das Sensorium, ein Restaurant, ein Alters- und Pflegeheim, eine sozialtherapeutische Gemeinschaft und ein kleiner Laden in einer Stiftung vereint sind. Die Architektur des Konzertsaals und das Logo verraten anthroposophischen Einfluss. Und mit der Anthroposophie im Kopf hatte die Grossmutter kein Museum erwartet, das an eine lichtdurchflutete Turnhalle erinnert. Gerade ist eine Schulklasse zu Besuch, was den Eindruck verstärkt. Die Kinder bewegen sich gekonnt auf den Balancierscheiben am Boden, setzen die grossen Scheiben mit den optischen Täuschungen in Bewegung und erforschen mit Elan alle Attraktionen. Ihre fröhliche Aufgekratztheit ist ansteckend für Lioba und Felia, die sich auf keine Station lange einlassen wollen. Gewichte sind leichter über Rollen zu heben – okay, abgehakt; der Pfad mit dem unterschiedlichen Untergrund, den sie barfuss und mit verbundenen Augen ertasten sollen, wird zum Wettrennen; die Gegenstände in den Krügen erfühlen sie zackig, die Zerrspiegel finden sie nicht richtig lustig. Dann landen sie im 1. Stock.
Hier oben sind die Räume niedriger, die Objekte kleinteiliger. Felia ist gefangen von den Klangschalen aus Messing. Sie reibt mit der nassen Handfläche über zwei Henkel, bis es einen schönen Ton gibt. «Das kitzelt an den Händen!» Der Ton kräuselt das Wasser in der Schale in ganz gleichmässige Wellen. Und Lioba singt ausgiebig in eine Art Giesskanne hinein. Statt der Öffnung für das Wasser ist da eine Membran gespannt. Sie streut feinen Sand darauf, der durch die Töne zu einem Muster vibriert. Und jetzt sind am Riechbusch die Nasen gefordert. «Ich kenne den Geruch vom Kuchen von der Mama! Das ist Vanille!» Die Zunge testen sie an den Gewürzmühlen. Salz, Pfeffer und Zucker finden sie schnell heraus, aber was ist dieses braune Pulver? Ist das Kakao? Oh nein, es schmeckt ganz scharf! Da muss die Grossmutter helfen. Es ist Nelkenpulver! Eigentlich sollten sie herausfinden, ob jeder Geschmack gleich lang am Gaumen haftet, aber da links sind zwei Spiegel, quasi ein Spiegelkorridor, der die Kinder unendlich vervielfältigt. Lioba und Felia führen darin einen Tanz vor und die Grossmutter denkt natürlich an Mani Matters «metaphysischs Grusle» im Coiffeursalon.

Herausforderungen
Ein Labyrinth auf einer frei beweglichen Fläche, durch das ein Ball gerollt werden muss, stellt sich als ganz schön anspruchsvolle Arbeit heraus. Als Nächstes merken die drei, wie ausserordentlich verwirrend es ist, mit den Händen den Kurven eines roten Fadens zu folgen, wenn sie den Faden und die eigenen Hände nur im Spiegel sehen. Wenn sie einfach im Schwung bleiben und konzentriert, aber irgendwie ohne zu denken dem Faden folgen, funktioniert es. Doch wehe, sie halten einmal an – schon bewegt sich die Hand in die falsche Richtung. Die Grossmutter findet, das kitzelt im Kopf.
Im ersten hohen Raum hängt ein riesiger Weidenkorb an einer langen Kette. Oben ist er geschlossen, der Einstieg ist unten. Die Kinder wollen darin noch einmal geschaukelt werden. Lioba fordert mehr Anstrengung von der Grossmutter – aber gerne macht sie das und gibt dem Korb kräftig Schuss. Um ein ähnliches Gefühl im Bauch zu erzeugen wie auf einer Bahn vom Jahrmarkt, dreht sie den Korb gleichzeitig. Sie sieht erst später, dass hier die Kunst wäre, das Schwingen ganz ohne Drehen ausbalancieren zu können. Das mit dem Lesen, sich Informieren und Fühlen ist überhaupt so eine Sache. Für die kleineren Kinder ist es einfach wichtig, dass sie ihren Körper gut spüren und alle ihre Sinne trainieren. Mit grösseren Kindern würde die Grossmutter gerne mehr in den technischen, physikalischen Hintergrund eindringen. Dafür gibt es in der Dauerausstellung wenig Hilfestellung. Man könnte einwenden, dass der Name ja schon sagt, wo die Gewichtung liegt: «Sensorium», nicht «Technorama». Doch die Frage nach mehr Information wird tatsächlich bereits diskutiert, sagt Anne-Sophie Marchal, Leiterin Kommunikation im Sensorium. In Führungen und bei Besuchen von Schulklassen würden die Hintergründe der Phänomene behandelt. Vielleicht gibt es irgendwann auch Material für Einzelbesucher.

Ausklingen
Das ist Lioba und Felia im Moment aber ganz egal. Sie brauchen kurz vor Schluss noch eine Glace – versprochen ist versprochen. Im sympathisch robust und grosszügig eingerichteten Bereich zum Picknicken und Ausruhen kann man Mitgebrachtes essen, aber auch Kleinigkeiten kaufen. Da entdeckt Felia noch etwas: einen Brunnen mit Wasserfällen, lange Holzstöcke stehen daneben. Sie schaut sich von anderen Kindern ab, was zu tun ist. Sie stellt einen Stock ins Wasser, hält ihn ans Ohr und wird still, ganz nach innen gerichtet. Dann ruft sie begeistert die Grossmutter. Die beiden lauschen glücklich verwundert dem glucksenden Wassergeräusch, das wie aus einem Lautsprecher deutlich aus dem Stock zu hören ist. Schliesslich merken sie, dass das Personal nun wirklich Feierabend machen will und die Glace zu tropfen anfängt.•

Sensorium im Rüttihubelbad
Rüttihubel 29, 3512 Walkringen, 031 700 85 85,
sensorium@ruettihubelbad.ch,
ruettihubelbad.ch/de/sensorium

Öffnungszeiten:
vom 1. November bis 31. März: Mittwoch bis Sonntag 10–17.30 Uhr.
Öffnungszeiten vom 1. April bis 31. Oktober: Dienstag bis Freitag
9–17.30 Uhr, Samstag/Sonntag 10–17.30 Uhr.

Achtung: Aufgrund von Aufbauarbeiten für die neue Jahresausstellung
ist das Sensorium bis zum 20. Januar 2020 unregelmässig geöffnet.
Bitte auf Website prüfen.

Preise:
Erwachsene 18 Franken,
Kinder bis 6 Jahre gratis,
ab 6 Jahren 9 Franken.
Familien 48 Franken.