Hand aufs Herz, oder besser: Finger in die Nase. Wer hat noch nie in der Nase gebohrt? Eben. Wir alle sind des Nasenbohrens schuldig. Ein prominentes Beispiel ist Joachim Löw, der Trainer der deutschen Fussballnationalmannschaft. Er wurde an der WM in Brasilien dabei gefilmt, wie er während des Spiels Deutschland gegen England in der Nase bohrte und anschliessend seinen Popel ass. Was ist daran schlimm? Klar: Es ist einfach eklig. Zumindest, wenn es andere machen. Aber sollen wir uns davon abhalten lassen? Schneckenliebhaber verspeisen schliesslich auch genüsslich ihre schleimigen Kriechtiere und kümmern sich nicht darum, ob sich mir am Nebentisch der Magen umdreht. Nasenbohren ist kein Verbrechen: Niemand käme auf die Idee, die Polizei zu holen, weil ich in der Nase bohre. Auch gesundheitlich ist Nasenbohren unbedenklich. Wer es arg übertreibt, bekommt schlimmstenfalls Nasenbluten. So gesehen ist Nasenbohren also unser gutes Recht. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es trotzdem unangenehme Folgen haben kann. Der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer beispielsweise meinte: «Gerade in Kleinigkeiten, als bei welchen der Mensch sich nicht zusammennimmt, zeigt er seinen Charakter.» Wenn ich in der Öffentlichkeit in der Nase bohre, muss ich daher damit rechnen, dass mich andere für einen Ekelzwerg mit schlechtem Charakter halten und mir beispielsweise nicht mehr die Hand geben oder nicht mehr mit mir spielen wollen. Daher mein Tipp: Wenn du den Fünfer und das Weggli respektive den Fünfer und den Popel willst, dann bohre heimlich. Solange dich niemand sieht, tut das deinem Ruf als Lady oder Gentleman keinen Abbruch.
Urs Siegfried, Initiator und Leiter des Zürcher Philosophie Festivals, hat erst Geschichte und Betriebswirtschaft studiert, bevor er die Philosophie für sich entdeckte. Fürs
Grosseltern-Magazin beantwortet er neu jeden Monat eine philosophische Kinderfrage.