«Früher war alles einfacher.» Darüber lässt sich bekanntlich streiten. Ich will hier gar nicht weiter darauf eingehen, denn ich habe leider bis heute keine wirkliche Antwort oder passende Gegenbehauptung darauf gefunden. Vielmehr frage ich mich, ob sich diese «Lebensweisheit» auf das komplizierteste aller Themen, die Liebe, übertragen lässt.
War die Liebe, als sie noch komplett analog lief, einfacher? Ohne schnell versandte und verteilte Herzen auf WhatsApp, Snapchat und Instagram … ?
Heute sind wir doch durchgehend und überall erreichbar. Das Handy ist meist nur einen Griff in den Hosensack entfernt und bei dem kleinsten Mitteilungston zuckt die Hand schon reflexartig dorthin.
Doch weshalb macht genau das die Liebe (noch) komplizierter? Ich glaube, gerade weil wir es gewohnt sind, dass das Handy immer verfügbar, ein Herz so schnell verteilt und ein «du bisch süess» ohne grosse Anstrengung verschickt ist, ist es kein grosses Ding mehr. Man stelle sich vor, man hätte früher mit Wangenküsschen um sich geworfen, so wie wir es heute mit den Emojis tun … Gewöhnt man sich da nicht an die Liebe, die einen auf allen Plattformen anspringt und aufploppt? Trotz allem wage ich zu sagen: Nein.
Man misst mit der Zeit einem «Herz-Emoji» nicht die gleiche Bedeutung bei, wenn es von einer entfernten Kollegin kommt, wie wenn sich dasselbe Emoji in einer WhatsApp-Nachricht des Schwarms befindet. Weiter war wohl der erste Schritt früher viel ein grösserer und klarerer. Wenn man jemanden fragte, ob dieser mit einem auf ein Date gehen will, war das schon eine halbe Liebeserklärung. Und wenn die andere Person dann «Ja» sagte und einen küsste, war man zusammen. Heute ist alles unkonkreter, da man immer noch zurückrudern und nicht mehr zurückschreiben kann. Aber genau das macht die Liebe aus. Den Sprung ins kalte Wasser muss man wagen, sonst wird man nie erfahren, wie angenehm warm das Wasser sein kann. Einfach war es nie und wird es nie sein, doch das gehört dazu und muss sein. Sonst wird es langweilig. Langweilig darf es erst werden, wenn ich beginne, meine dritte Säule anzulegen. Bis dahin würde ich mich schon gern noch ein paar Mal verlieben. Obwohl oder gerade weil es so kompliziert ist. •