«Mama, als du noch klein warst und noch keine Kinder hattest, war ich da ganz allein?» Diese Frage einer Dreijährigen und viele ähnliche Fragen nach dem Woher sind mir in Elternkursen oft begegnet. Auf meine Frage: «Wie haben Sie denn darauf reagiert?», bekam ich die unterschiedlichsten Antworten. Sehr eindrücklich ist mir diese im Gedächtnis geblieben, denn die Reaktion des Kindes war sehr empört ausgefallen:
Die Mutter hatte freundlich und vermeintlich völlig wahrheitsgetreu der etwa Vierjährigen erklärt: «Da hat es dich noch gar nicht gegeben.» «Und das stimmt nicht! Und das stimmt nicht!», schrie darauf das Mädchen ganz verzweifelt, sodass die Mutter völlig überrascht und erschrocken überlegte, was sie denn nun falsch gemacht habe.
Was war geschehen? Ganz offensichtlich war es für das Kind völlig undenkbar, einmal nicht gewesen zu sein, nicht existiert zu haben. So selbstverständlich viele Erwachsene davon ausgehen, dass es so etwas wie ein Leben nach dem Tod gebe, so klar schien es der Kleinen, dass sie irgendwo, irgendwie bereits vor der Geburt existiert habe. Und damit meinte sie nicht Mamas Bauch, denn über die Schwangerschaft wusste
sie schon länger Bescheid. «Wo war ich, bevor ich dort drin war?», darauf zielte die Frage des Kindes. Und die Möglichkeit, damals noch nicht existiert zu haben, erschreckte das Mädchen in ganz ähnlicher Weise, wie es manchen von uns Älteren vielleicht geht, wenn wir an unseren eigenen Tod und an ein mögliches Nicht-mehr-Sein denken. Wie so oft bei solchen Kinderfragen lohnt es sich, vor dem Zurückfragen zu überlegen: Was
veranlasste das Kind wohl zu der Frage? Hatte es Bedenken bei der Idee, dass Mama nicht bei ihm gewesen war? Wollte es sich vergewissern, dass es «dort» wenigstens nicht allein gewesen war? Dann erst würde ich ihm ehrlicherweise sagen, dass ich dies zwar auch nicht wüsste, dass wir aber gemeinsam darüber nachdenken könnten, vielleicht mit Fragen wie: «Wo wärst du denn gern gewesen? Wo könnten wir alle einst gewesen sein? Gab es dort noch andere Ungeborene?» Erfahrungsgemäss wird sich das Kind dabei eine eigene Antwort suchen, die ihm hilft, seine Bedenken abzubauen.

Die Philosophie-Pädagogin Eva Zoller Morf hat vor über 30 Jahren das Philosophieren mit Kindern entdeckt und in Büchern und auf www.kinderphilosophie.ch publik gemacht. 
Als Grossmutter freut sie sich nun über die kleinen Philosophen in ihrem Leben. Gerne nimmt sie auch Ihre Kinder­fragen entgegen, um zu überlegen und zu beschreiben, wie man damit am besten umgehen könnte: redaktion@grosseltern-magazin.ch