Peter Winkler von Lapsus erinnert sich an seine Grosseltern

Es liege an einem selber, welche Erinnerungen man wie abspeichert. Sagt Peter ­Winkler vom
Komikerduo Lapsus. Durch diese Haltung sind ihm seine Grosseltern eine Kraftquelle geblieben –
obwohl er keine enge Beziehung zu ihnen hatte.

Geraldine Capaul (Aufgezeichnet)

Wir sind eine grosse Sippe. Bei den Verwandtschaftstreffen mütterlicherseits füllen wir locker einen ganzen Gemeindesaal. Meine Grossmutter Hanna Schmutz-Bähler war das fünfte von 17 Kindern. Sie selber hat neun Kinder bekommen, meine Mutter Rösli war das zweitjüngste. Ich wiederum war dann das siebte von acht Kindern. Wenn man in einer grossen Familie aufwächst, spielt Privatsphäre keine wichtige Rolle. Dazu kommt, dass unser Haus allen offenstand. Menschen am Rand der Gesellschaft – Drogensüchtige, Obdachlose –, sie waren bei uns willkommen. Was dazu führte, dass ich manchmal über kein eigenes Zimmer verfügte und irgendwo auf einer Matratze schlief.

Meine Grossmutter mütterlicherseits hat ihre letzten Lebensjahre ebenfalls bei uns gewohnt. Da war sie schon leicht dement. Obwohl sie bei uns lebte, habe ich kaum herzlich-warme Erinnerungen an sie. Wir hatten keine wirklich enge Beziehung. Was weder an ihr noch an mir lag. Es war einfach so.
Meine Mutter war zwei Jahre alt, als ihr Vater von einem Betrunkenen angefahren wurde und an den Folgen dieses Unfalls starb. Ab da hat meine Grossmutter die neun Kinder allein grossgezogen und nebenbei in ihrer Papeterie gearbeitet. Sie war eine starke Frau und sehr fromm. Bei Gewitter hat sie zum Beispiel gesagt, dass Gott spreche. Das ist mir bis heute geblieben, vermutlich weil mich diese Aussage damals im Kindesalter beindruckte und auch ängstigte. Obwohl ich also nicht wirklich sagen kann, dass sie mir nahe stand, waren sie und auch meine Grosseltern väterlicherseits bedeutend für mein Leben, ihre Geschichten haben mich geprägt.

Die stärkste Erinnerung, die ich an meine Grossmutter väterlicherseits habe, ist ihr Tod. Ich sehe meinen Vater vor mir, wie er nach der Nachricht ihres Todes weinte. Das hat mich traurig gemacht. Ich war damals 19 Jahre alt. Erst mit diesem Abschied wurde mir bewusst, was für ein wundervoller Mensch sie gewesen sein muss. Diese späte Erkenntnis hat mich berührt. Emma Frida Winkler-Studer litt viele Jahre an Alzheimer, das machte es für mich als Teenagerbub nicht gerade einfacher, eine Beziehung mit ihr zu halten. Zudem lebte sie in Burgdorf (BE), ich in Dietikon (ZH). Sie war ebenfalls eine sehr starke Frau, auch streng gläubig. Und auch sie hat ihren Mann früh verloren. Mein Grossvater Gustav Alfred Winkler war Bauernsohn. Es wurde gemunkelt, dass er Alkoholiker war. Er war aber tüchtig und hat als Dachdecker und Spenglermeister gearbeitet. Er war 48, als er starb. Mein Vater war damals 20. Er unterstützte seine Mutter bei der Erziehung seiner jüngeren Schwestern und gab seinen ganzen Lohn zu Hause ab. Meine Grossmutter war übrigens Eisenbahnübergangswärterin. Was für ein wunderbar langes Wort!

Ich hatte – ehrlich gesagt – ein wenig Angst, dass ich für diesen Artikel zu wenige Erinnerungen haben könnte. Deshalb habe ich mir im Vorfeld viele Gedanken dazu gemacht. Mir ist bewusst geworden, dass es für mich befreiend ist, meine Grosseltern als Kraftquellen zu sehen. Man hat doch immer selber die Wahl, welche Bilder man mitnimmt. Man kann selber entscheiden, wie und woran man sich erinnern will.
Wenn ich beispielsweise an meinen Grossvater väterlicherseits denke, den ich ja nicht gekannt habe, stelle ich mir einen tüchtigen Lebemann vor. Das beflügelt mich. Oder meine Grossmütter: Ihr Glaube, den sie konsequent gelebt haben, beeindruckt mich. Und ihre Stärke, alleine eine grosse Familie durchzubringen, inspiriert mich. •

Peter Winkler (54, rechts) bildet zusammen mit seinem langjährigen Bühnenpartner Christian Höhener das Komikerduo Lapsus. Die beiden haben sich an der Dimitri-Schule in Verscio TI kennengelernt und sind seit über 25 Jahren eine feste Grösse in der Schweizer Comedyszene. Sie waren mit dem Circus Knie auf Tour, moderie-
ren unter anderem das Humorfestival Arosa und treten mit eigenen Programmen rund um ihre Figuren Theo Hitzig und Bruno Gschwind auf. Aktuell laden sie in den «Circus Lapsus Helveticus», wo sie zusammen mit internationalen Artist:innen und jungen Schweizer Volksmusiker:innen die Show «Helveticus» zeigen. Als roter Faden führt das Komikerduo durch virtuose Artistennummern und Musikeinlagen der Zirkusband HelvetiKuss.
lapsus-helveticus.ch