Viel Verständnis, Zuneigung, Respekt: Mit diesen Werten wuchs die Musikerin Stefanie Heinzmann auf. Dank ihren Grosseltern und deren Beziehung.
Von Karin Dehmer ( aufgezeichnet)
Meine Oma väterlicherseits hatte 14 Kinder. Sie verlor ihren Mann lange vor meiner Geburt und lebte in der Wohnung über meiner Familie. Meine Eltern führten ein Restaurant und mein Bruder ist sieben Jahre älter als ich. So war ich oft oben bei Oma. Heute lebe ich in ihrer Wohnung, in der ich einen grosser Teil meiner Kindheit verbracht habe. Omas alte Kommode ist noch bei mir, ein alter Spiegel und die Eckbank in der Küche, auf der wir unzählige Stunden UNO gespielt haben. Sie musste so viel Karten spielen mit mir, ich frage mich, wie sie es schaffte, nie die Lust daran zu verlieren. Oma war eine unglaublich humorvolle Frau. Früher spielte sie ihren Kindern Streiche, steckte Veloschmiere in die Zahnpasta und solche Sachen. Ein paar Mal im Jahr kamen alle zusammen, alle 14 Kinder mit ihren Familien. Die Feste mussten in angemieteten Hallen stattfinden oder auf einem Campingplatz.
Meine Grosseltern mütterlicherseits lebten im Nachbardorf. Vater – so nannte ich ihn – starb mit 96. Müeti war 14 Jahre jünger als er. Das Erste, was mir in den Sinn kommt, wenn ich an die beiden denke, ist, wie harmonisch sie immer funktioniert haben. Jeden Tag bürstete Vater Müetis langes Haar. Wir verbrachten im Sommer viel gemeinsame Zeit auf der Alphütte. Da jassten, kochten und lachten wir und irgendwann Mitte Nachmittag holte Vater eine Decke und nahm Müeti am Arm. Sie gingen hinaus auf die Wiese und legten sich zusammen hin für einen Mittagsschlaf.
Es wird vermutet, dass mein musikalisches Talent von Müeti kommt. Sie jodelte und sang, stand oft auf dem Berg und juchzte. Die beiden arbeiteten die ganze Zeit. «Gschaffig» waren sie, aber nie gestresst oder getrieben. Mit über 90 fuhr Vater noch mit dem Velo in die Reben und gemeinsam bestellten sie einen grossen Garten. Immer, wenn ich in ihre Wohnung kam, roch es nach Suppe, zubereitet mit frischem Gemüse.
Müeti und Vater prägen ganz klar mein Bild davon, was ich unter einer «guten Beziehung» verstehe. Das blinde Verständnis füreinander, die tiefe Zuneigung – auch nach vielen gemeinsamen Jahren noch – und vor allem den respektvollen Umgang, den sie pflegten. Meine Eltern haben das übernommen und leben es weiter. Ja, diesbezüglich wurde ich von sehr schönen Werten geprägt, die ich hochachte.
Zwei oder drei Jahre nach Vaters Tod starb auch Müeti, obwohl sie wie gesagt viel jünger war als er. Ich glaube, als Vater ging, nahm es ihr die Lebenslust.
So verlor ich als Teenager meine drei verbleibenden Grosselternteile alle innerhalb von drei Jahren. Von meinem Leben als Musikerin haben sie leider nichts mehr mitbekommen, abgesehen von meinem Klavierspiel an Weihnachten.
Als Kind begreift man zu wenig, wie toll die Grosseltern eigentlich sind. Erst jetzt merke ich, wie gern ich mein Leben mit ihnen teilen würde. Früher besuchte ich sehr oft ihre Gräber und ich habe überall Sachen liegen, die noch von ihnen sind, einen Rosenkranz beispielsweise. Für mich sind sie immer noch hier. •
ist eine Schweizer Pop- und Soulsängerin. Die Walliserin hat im März 2019 das Album «All We Need Is Love» veröffentlicht und wurde dieses Jahr mit dem Swiss Music Award ausgezeichnet. Am 11. Oktober wird Stefanie am ersten Weltmädchenfussballtag in Solothurn auftreten.
stefanieheinzmann.de