Wenn Sie möchten, dass die Enkel erben können

Wer die Enkel im Testament berücksichtigen oder bereits zu Lebzeiten mit grosszügigen Schenkungen beglücken möchte, muss immer auch auf die Pflichtteile der anderen Erben achten. Das wird sich auch nicht ändern, wenn das revidierte Erbrecht in etwa zwei bis drei Jahren in Kraft tritt.

Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit Monika Sekolec, Notarin, Notariat Sekolec in Brugg und Niederlenz (AG). www.notariat-sekolec.ch

Die gesamte Erbmasse eines Grosselternteils wird in einen sogenannten Pflichtteil und eine frei verfügbare Quote unterteilt. Der Pflichtteil garantiert, dass die Ehepartner oder eingetragenen Partner und die Nachkommen oder in bestimmten Fällen die Eltern den gesetzlichen Mindestteil der Erbschaft erhalten. Die Hinterbliebenen stehen beim Erben in einer gesetzlichen Erbfolge. Über den Rest kann der Erblasser frei verfügen. Die frei verfügbare Quote beträgt heute bei Ehepaaren mit Nachkommen drei Achtel, bei Einzelpersonen mit Nachkommen ein Viertel. In einem Testament kann man darüber bestimmen, wer die frei verfügbare Quote erhält. Diesen Teil der Erbschaft können Grosseltern also direkt den Enkeln vermachen, ohne dass sie die eigenen Kinder darüber informieren müssen. Ja sogar dann, wenn die eigenen Kinder damit nicht einverstanden sind. «Wenn ein Erbe noch minderjährig ist, verwalten die Eltern als gesetzliche Vertreter das Erbe, ausser die Grosseltern setzen einen Willensvollstrecker mit entsprechendem Auftrag ein», erklärt Monika Sekolec auf Anfrage. Die Notarin mit Büros in Brugg und Niederlenz (AG) bietet unter anderem auch Beratungen und das Erstellen von Dokumenten und Verträgen rund ums Ehe- und Erbrecht an.

In Zukunft mehr Spielraum
Mit der vom Bundesrat angestrebten Revision des Erbrechts soll den Erblassern mehr Verfügungsfreiheit eingeräumt werden. Im Zentrum der Revision steht die Reduktion der Pflichtteile für die Nachkommen, der Pflichtteil für die eigenen Eltern soll gänzlich entfallen. So kann man beispielsweise faktische Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner oder deren Kinder stärker begünstigen. Die Rechtskommission des Ständerates hat im Januar 2019 die Beratung über die vom Bundesrat vorgeschlagene Erbrechtsrevision aufgenommen und ist ohne Gegenantrag auf diese eingetreten. Im April hat sie Experten aus Lehre und Praxis über das Projekt angehört, und nun beginnt die Detailberatung. Eine Prognose über den Zeitplan und ein allfälliges Inkrafttreten sind noch nicht möglich, sagt
Alexandre Brodard vom Bundesamt für Justiz auf Anfrage. «Erfahrungsgemäss dauert es aber noch zwei bis drei Jahre bis zu einem Inkrafttreten», sagt er.
Wer jetzt schon einen grösseren Anteil seinen Enkeln vermachen will, kann dies nur dann tun, wenn die eigenen Kinder auf ihren Pflichtteil verzichten. Dass direkt die Enkel und nicht erst die Kinder erben, findet manchmal auch die mittlere Generation in Ordnung. Wenn die nächste Generation bereits ein ausreichendes Vermögen hat, ist das Erbe für die darauffolgende Generation viel nützlicher. Monika Sekolec sagt: «Aber diesfalls müssen die pflichtteilsgeschützten Erben einverstanden sein und entsprechend in einem öffentlich beurkundeten Erbvertrag teilweise oder ganz auf ihren Pflichtteil verzichten.» Und wenn das revidierte Erbrecht dann in Kraft tritt, muss ich den zuvor erstellten Erbvertrag oder das Testament neu aufsetzen? «Das sogenannte Übergangsrecht wird regeln, wie mit Erbverträgen und Testamenten zu verfahren ist, die vor dem Inkrafttreten des neuen Erbrechts errichtet wurden. Ist man mit den Übergangsbestimmungen nicht einverstanden, müsste ein entsprechend neues Testament bzw. ein entsprechend neuer Erbvertrag aufgesetzt werden», erklärt die Expertin.

Geschenkt ist nicht geschenkt
Wer glaubt, das Einverständnis aller pflichtteilsgeschützten Erben umgehen zu können, indem er oder sie einen oder mehrere Enkel einfach bereits zu Lebzeiten grosszügig beschenkt, der irrt. Zwar gehen Schenkungen bis zu einem gewissen Betrag als sogenannte Gelegenheitsgeschenke durch. Je nachdem wie wohlhabend die Grosseltern sind, können das bis zu 10 000 Franken pro Jahr sein. Es gibt übrigens keine allgemeingültige Berechnungsformel dafür, bis zu welchem Wert es sich noch um ein Gelegenheitsgeschenkt handelt. «Oft wird auf die Schenkungssteuer-Freibeträge gemäss kantonaler Steuergesetzgebung abgestellt», weiss Monika Sekolec. Übersteigt ein Geschenk aber diesen Wert, kann es in die Masse zur Berechnung des Pflichtteils eingerechnet werden. Was zur Folge hat, dass das beschenkte Enkelkind nach Ableben der Grosseltern zu einer Ausgleichszahlung gegenüber den Erben verpflichtet werden kann, sofern allfällige Pflichtteile verletzt sind. Der Wert des Geschenks wird übrigens zum Zeitpunkt der Erbteilung ermittelt, was bei Immobilien durchaus von Relevanz sein kann. •

GLOSSAR

Erbmasse
Bei einer Einzelperson ist es das gesamte, in deren Eigentum stehende Vermögen. Bei Ehepaaren muss vorerst eruiert werden, was dem Ehemann und was der Ehefrau gehört. Diesen Vorgang nennt man güterrechtliche Auseinandersetzung. Entscheidend für diesen Vorgang ist der Güterstand, den die Ehegatten gewählt haben. So oder so ist zu beachten, dass für Vorsorgeguthaben spezielle Regeln gelten. Nicht zu vergessen im heutigen Zeitalter ist der digitale Nachlass, welcher je nach Ebene (physische, binäre und inhaltliche Ebene) seinen eigenen Regeln folgt.

Pflichtteil
Der Pflichtteil ist der gesetzliche Mindestanteil an der Erbschaft, auf den bestimmte gesetzliche Erben (Nachkommen, Ehegatten, eingetragene Partnerinnen und Partner, Eltern) gemäss den gesetzlichen Bestimmungen auf jeden Fall Anspruch haben. Der Pflichtteilsanspruch kann testamentarisch nicht entzogen werden. Ein Pflichtteilsverzicht kann jedoch mittels Erb(verzichts)vertrag vereinbart werden. Wenn Testamente Pflichtteilsansprüche verletzen, sind sie nicht automatisch ungültig; sie müssen in diesem Fall von den Erben angefochten werden.

Gesetzliche Erbfolge
Die Erbfolge richtet sich nach dem Grad der Verwandtschaft. An erster Stelle stehen Ehepartner (eingetragene Partner) und Nachkommen. Ist ein Nachkomme bereits verstorben, so treten an seine Stelle dessen Nachkommen und dann deren Kinder. Sind weder Ehegatten und eingetragene Partner noch leibliche Nachkommen vorhanden, so werden die Eltern und Geschwister oder Grosseltern und deren Nachkommen berücksichtigt. Mit dem Stamm der Grosseltern hört die Erbberechtigung der Verwandten auf. Hat der Erblasser kein Testament verfasst, geht das Vermögen an das Gemeinwesen. Konkubinatspartner, Stiefkinder oder Freunde sind nicht erbberechtigt und können nur innerhalb der frei verfügbaren Quote berücksichtigt werden.

Frei verfügbare Quote
Als frei verfügbare Quote wird jener Teil des Vermögens bezeichnet, der nicht unter dem Pflichtteilsschutz steht. Er beträgt bei Ehepaaren mit Nachkommen 37,5 Prozent, bei Einzelpersonen mit Nachkommen 25 Prozent. Über diesen Anteil vom Vermögen kann der Erblasser frei verfügen (siehe Grafik). Wer keine pflichtteilsgeschützten Erben hat, kann über sein ganzes Vermögen frei verfügen.

Testament
Der Erblasser kann ein Testament alleine aufsetzen und jederzeit ändern oder aufheben. Das Erbrecht kennt drei Formen der letztwilligen Verfügung: Das eigenhändige Testament wird von Anfang bis Ende von eigener Hand geschrieben und unter Angabe von Ort und genauem Datum unterzeichnet. Ein Muster eines Testaments finden Sie hier: www.ch.ch 2. Das öffentlich beurkundete Testament wird von einer Amtsperson, einer Notarin, einem Notar nach dem Willen des Erblassers verfasst und in Anwesenheit von zwei Zeugen vor der Amtsperson, der Notarin, dem Notar unterschrieben. Das mündliche Testament (sog. Nottestament) kommt nur zur Anwendung, wenn es nicht möglich ist, ein Testament in einer der vorgenannten beiden Formen zu errichten. Der Wille muss vor zwei Zeugen erklärt werden, die das Gehörte aufschreiben und unter Angabe von Ort und genauem Datum unterzeichnen und bei einer Gerichtsbehörde hinterlegen. Wenn Testamente Formvorschriften oder Pflichtteile nicht einhalten, sind sie nicht automatisch ungültig, sondern müssen in dem Fall von den Erben angefochten werden.

Willensvollstrecker
Ein Erbschaftsverwalter wird von Gesetzes wegen durch die Eröffnungsbehörde eingesetzt und nicht vom Erblasser ernannt. Der Erblasser kann aber mittels letztwilliger Verfügung (in einem Testament oder in einem Erbvertrag) einen Willensvollstrecker einsetzen, welcher mit der Vollstreckung seines letzten Willens beauftragt ist.

Revision des Erbrechts
Das geltende Erbrecht ist seit 1912 lediglich punktuell revidiert worden. Nun steht eine grosse Revision an. Damit soll das Erbrecht flexibler werden und so den seit 1912 stark veränderten Lebensrealitäten und Familienformen Rechnung tragen. Im Zentrum der Revision steht die Reduktion der gesetzlichen Pflichtteile für die Nachkommen, der Pflichtteil der Eltern soll gänzlich entfallen. So können Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner und/oder deren Kinder stärker begünstigt werden. Die Reduktion der Pflichtteile erleichtert auch die Nachfolgeregelung bei Familienunternehmen. Die Botschaft zum Erbrecht wurde vom Bundesrat bereits am 29. August 2018 verabschiedet und befindet sich nun in der parlamentarischen Beratung. Die nebenstehenden Grafiken beziehen sich auf das aktuelle Erbrecht.

Erbvertrag
Der Erblasser trifft darin mit einem oder mehreren Erben bindende Vereinbarungen über den Nachlass. Entweder wird einem Vertragspartner eine Begünstigung versprochen oder es wird ein Erbverzicht vereinbart. Der Erbvertrag muss vor zwei Zeugen unterschrieben und öffentlich beurkundet werden.

Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit Monika Sekolec (45), Notarin, Notariat Sekolec in Brugg und Niederlenz (AG). www.notariat-sekolec.ch

2 Gedanken zu „Wenn Sie möchten, dass die Enkel erben können

  • Ich finde die Erbrecht-Grafik sehr anschaulich. Interessant, dass man auch mit Testament nur eingeschränkten Spielraum in der Gestaltung des Erbes hat. Ich möchte diese Möglichkeiten nutzen und lasse mich mal beraten.

    • Vielen Dank für Ihre Nachricht. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass unser Artikel für unsere Leserschaft in der Schweiz erstellt wurde. Wie die Situation in Deutschland oder Österreich ist, wissen wir nicht.

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