Einmal so richtig die Wohnung entrümpeln, sich von Ballast befreien, reduzieren, bewusster und leichter leben – das alles ist jetzt im Trend. Wer es nicht alleine schafft, bestellt sich den Ordnungs-Coach ins Haus. Ein Selbstversuch.
In unserem vierköpfigen Haushalt schaut es eigentlich nie aus wie in einer dieser perfekten Wohnungen in den Hochglanz-Magazinen, wo selbst auf der meterlangen Küchenablage nichts als glänzende Leere herrscht und als einziger Fremdkörper im Wohnzimmer eine akkurat zusammengefaltete Wolldecke über der Sofalehne liegt. Ich bin kein Messie. Ich pflüge regelmässig durch unsere Zimmer. Meist scheint alles ziemlich aufgeräumt, zumindest das, was man von blossem Auge sieht. Aber die Schränke und die Schubladen, ich sag es Ihnen, sie sind ein Paradies für Marie Kondo. Marie wer?
Aufräumen nach der KonMari-Methode
Die Japanerin Marie Kondo ist die Aufräumerin der vergangenen zwei, drei Jahre. In Büchern und in einer Netflix-Serie zeigt sie, wie einfach jeder und jede mit der KonMari-Methode sich von Ballast trennen und ein geordnetes Leben führen kann. Denn ausmisten, weggeben, sich von materiellen Dingen verabschieden, hilft einem, leichter durchs Leben zu gehen. Davon ist auch Karine Paulon überzeugt. Sie ist die erste nach KonMari zertifizierte Aufräum-Expertin im deutschsprachigen Raum und hat sich nun hauptberuflich dieser Methode verschrieben.
Karine klingelt pünktlich an der Türe, stellt eine grosse Tüte im Flur ab und begrüsst mich danach herzlich. Kein Zweifel, vor mir steht eine aufgeräumte Frau. Ich kenne sie noch von früher, als sie meine Nachbarin war. Die Leidenschaft, Ordnung zu halten, hatte sie damals schon. Heute stehen wir vor meinen Schränken und ich muss mich offenbaren. Von Karine kommt kein tadelnder Kommentar wie «Ui, hast du ein Chaos!», nein, sie meint, bei mir sähe alles ziemlich normal aus. Das will was heissen, schliesslich blickt Karine in viele Wohnungen. «Das Erstgespräch mit meinen Kunden», erklärt sie, «endet immer damit, was sie mit den gewonnenen Stunden, die nicht mehr zum Aufräumen verbraucht werden, anfangen wollen: Mehr mit den Kindern spielen, mehr backen, mehr lesen, mehr Sport treiben und so weiter.» Quasi ein Kompass, der die Richtung zeigt.
Mein Aufräumcoach mit viel Ausdauer
Ja, wo will ich denn hin? Ich benötigte bis anhin gar nicht so viel Zeit, um aufzuräumen. Bei mir läuft das immer recht zackig: Schrank auf, Wäsche rein, Schrank zu. Und das funktioniert nicht nur mit der Wäsche so. In der Küche zum Beispiel führe ich eine so genannte Gnusch-Schublade, die enorm praktisch ist. Eine solche, so hatte es bereits meine Mutter gesagt, gehöre in jeden Haushalt. Dass es bei mir drei oder fünf davon gibt, bleibt unter uns.
Im Badezimmer steht ein antiker Schrank. Er würde sich in einem Wohnmagazin bestimmt prächtig machen, solange seine Türen zubleiben. «Marie Kondo», erklärt mir Karine, «räumt nicht nach Zimmern auf, sondern nach Kategorien: Kleider, Bücher, Administratives, Alltagsgegenstände, Sentimentales.» Während ich überlege, was bei mir alles in die Kategorie Sentimentales passt, beginnt Karine bereits mit ihren Anweisungen: «Fangen wir mit deinen Kleidern an. Nicht nur die aus deinem Schlafzimmer, sondern auch in der Garderobe, im Keller und wo auch immer du welche lagerst.» Easy, denke ich, so viel hab ich ja nicht, und leere Schubladen, Tablare und Mottenschrank aufs Bett.
Macht es dich glücklich?
«Jetzt nimmst du jedes Stück einzeln in die Hand und fragst, ob es dich glücklich macht», fährt Karine fort. Habe ich tatsächlich Kleider, die mich glücklich machen? Ich horche, ganz nach Marie Kondo, tief in mich hinein. Ist es nicht eher so, dass ich einige Kleider habe, die mich ärgern wollen, weil sie eingegangen sind und ich daher nicht mehr in sie hineinpasse? «Jedes Exemplar», erklärt Karine, «welches du nicht mehr tragen willst, legst du beiseite. Du bedankst dich bei ihm, dass es bei dir war – oder für das Emotionale, das in ihm steckt.» Sie schmunzelt, als sie meine hochgezogenen Augenbrauen sieht. «Marie Kondo ist von der japanischen Kultur geprägt. Uns mag diese Art, sich für alles zu bedanken, vielleicht ein wenig seltsam vorkommen, doch versuch es einfach mal!», muntert Karine mich auf. «Oder sprich leise für dich ein Dankeschön, dass du zum Beispiel nun weisst, in gemusterten Glitzerblusen fühlst du dich nicht wohl.» Ich nicke und trage langsam T-Shirt für Pullover für Rock vom Berg ab: Machst du mich glücklich? Ich bilde neue Stapel, links, was bleibt, rechts, was gehen darf. Und in der Mitte der Zauderberg. «Wenn zu viele Emotionen drinstecken, soll das Kleid auf alle Fälle bleiben», klärt Karine mich auf. So mein altes Hochzeitskleid, das ich nie mehr anziehen werde: Ich schaffe es trotzdem nicht, es herzugeben. Hab ich also doch Gefühle für Kleider übrig? Karine hängt das Teil oben links in meinen Kleiderschrank, ins Nostalgie-Asyl. Auch dafür soll Platz sein. Überhaupt liegen Karine die Reaktionen ihrer Kunden sehr am Herzen, sie freut sich mit ihnen, wenn sie sich von Ballast-Stoffen erleichtern, und beflügelt sie jeweils, dranzubleiben.
Entrümpeln reinigt die Seele
Dranbleiben – ein gutes Stichwort. Mich verlässt zwischenzeitlich die Motivation. Ich blicke nicht mehr durch und möchte im Prinzip nur eines: möglichst schnell zum Ende kommen. Genau in diesen Momenten braucht es die Expertin. Sie bleibt beharrlich, schaut mit mir auf die Kleiderhaufen, den einen, der bleibt, den ungewissen und den anderen, dem ich ein Adieu zugeraunt habe. Und dann gehts ans Eingemachte. An die Ordnung an und für sich. Sie holt aus ihrer grossen Tasche im Flur Kleidersäcke und legt meine aussortierten Sachen sorgfältig hinein, eine Wertschätzung für das Getragene, aber auch für die neuen Besitzer der Kleider. Karine Paulon kennt einige Adressen: Frauenhäuser, Brockis, private Abnehmer, die dankbar sind und sich über meine Kleider freuen werden, sofern mir das recht ist. Oder ich entscheide, dass ich die Habseligkeiten lieber verkaufen möchte, schliesslich habe ich ja noch einen Aufräumcoach zu finanzieren. Auch das ist eine Möglichkeit. Inzwischen hat Karine die Säcke prall gefüllt und vor der Schlafzimmertür aufgereiht – ich fühle mich tatsächlich ein wenig erleichtert. «Das physische Entrümpeln ist auch ein Reinigungsprozess für die Seele», erklärt Karine. Ich meine, sie könnte jetzt eigentlich gehen. Sie lacht: «Nichts da, wir haben Kleider einzuordnen!»
Origami für Kleider
Sie zieht aus ihrer Tasche ein paar Schachteln und Boxen hervor. In eine kommen Hosen, in die andere Pullover, eine weitere ist für T-Shirts, eine für Unterwäsche, Socken und so weiter. Und nicht einfach hinein damit nach Lust und Laune, nein, hier geht es exakt nach der KonMari-Methode – ich gestehe an dieser Stelle, eine Faltmethode, die schlicht genial ist. Origami für Kleider! Karine faltet, streicht glatt, halbiert, drittelt und am Schluss, wenn alles faltenfrei (!) kompakt ist, wird ein Kleidungsstück nach dem anderen in die Schachteln gestellt. Jawoll, nichts mehr mit Schichten und Legen, nein, es wird gestellt! Und zwar so, dass ich mit einer Hand, zack, danach greifen kann! Glauben Sie mir, es funktioniert. Meine T-Shirts sehen aus wie frisch vom Bügelbrett! Blusen und Röcke werden nach Farben sortiert in den Schrank gehängt. Ich wähne mich mit meinen wenigen Stücken wie in einer Kleider-Boutique: Welches Exemplar tragen wir denn heute gerne? Oh, das Hochzeitskleid?
Karine verabschiedet sich lachend. Ihr hat es sichtlich Spass gemacht. Und ich muss zugeben, mir auch. Die erste Kategorie haben wir zusammen geschafft. Viele weitere stehen noch an. Alltägliches und Kleinkram zum Beispiel. Manche Kunden haben die KonMari-Methode bereits nach einer Session intus. Andere brauchen Karines Beistand, ihre Tricks und Tipps auch für weiteres Aufräumen. Ich denke, von Bürosachen und Krimskrams kann ich mich gut alleine lösen. Aber bei den Büchern? Das ist ein grosses Thema bei mir, denn diese laufen bei mir nicht unter Administratives, sondern unter «Herz». Voll die sentimentale Kategorie. So wie Kinderzeichnungen, Fotos und Ehemann. Davon mag ich mich überhaupt nicht trennen. Karine: «Alles, was dich glücklich macht, sollst du behalten!» •
Marie Kondo
Die 34-jährige Japanerin Marie Kondo ist die Entrümpelungsexpertin schlechthin. Über ihre KonMari-Aufräummethode schrieb sie drei Bücher, die in 27 Sprachen übersetzt und weltweit sieben Millionen Mal verkauft wurden. «Aufräumen mit Marie Kondo» ist mittlerweile auch eine
von Netflix entwickelte Doku-Serie.
Karine Paulon (44) ist in Neuchâtel aufgewachsen, studierte in Zürich an der ETH Biologie, arbeitete als IT-Consultant, bildete sich in Chicago als KonMari-Coach aus und betreibt mit «à jour» ihr eigenes Aufräum- Unternehmen. Sie ist verheiratet, Mutter von zwei Buben und wohnt mit ihrer Familie in Thalwil.
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